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Hier berichten wir von den großen und kleinen Erlebnissen unserer Ausbildungsreise – von Exkursionen in alte und neue Bibliotheken, von Studienfahrten und Praktika in fernen und nicht ganz so fernen Städten, von Vorträgen, Konferenzen und natürlich dem Studienleben in München.

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Bücherverbrennungen 1933 (III) - Verbrannte Orte

Avatar of Student/in Student/in | 24. Mai 2023 | Lesestoff



Logo des Projekts "Verbrannte Orte"

Zum 90. Jahrestag der Bücherverbrennungen während der NS-Zeit möchten wir diesen Ereignissen eine kleine Blogreihe widmen, die aus drei Teilen bestehen soll. Im ersten Beitrag wurden die Bücherverbrennungen 1933 in den historischen Kontext eingeordnet und die Rolle, die Bibliothekar:innen dabei spielten, beleuchtet. Im zweiten Beitrag wurden die weiteren Entwicklungen während der NS-Zeit sowie die Wege der verbrannten Werke und ihrer Autor:innen nachgezeichnet. In diesem dritten Teil schließlich wird ein Projekt vorgestellt, das die Orte der Bücherverbrennungen und die lokal unterschiedlichen Abläufe dokumentiert und sichtbar macht.

Bei der Beschäftigung mit den Bücherverbrennungen fragt man sich vielleicht, was von diesen Orten und den Ereignissen, die dort stattgefunden haben, übriggeblieben ist. Wie sehen sie heute aus? Wie wird vor Ort an die Bücherverbrennung erinnert? Nimmt man einen Ort anders wahr, wenn man seine Geschichte kennt?

Aus diesen Fragen entstand ein Projekt, das die Orte der Bücherverbrennungen dokumentiert und online recherchierbar macht. Initiator ist der Fotograf und Erlebnispädagoge Jan Schenck. Die Idee zu dem Projekt kam ihm, als er erfuhr, dass das Hamburger Schwimmbad, das er als Kind besucht hatte, am Schauplatz einer Bücherverbrennung stand. Durch eine Crowd-Funding-Kampagne sammelte er 2013 Gelder, um eine erste Version der Seite verbrannte-orte.de zu erstellen, die er mit einem Team Ehrenamtlicher bis heute weiter ausgebaut hat.

Die Seite bietet einen Atlas mit Markierungen für jede bisher bekannte Bücherverbrennung. Mithilfe von Spenden und Kooperationen mit verschiedenen Partnern vor Ort reist Schenck an die Orte der Verbrennungen und fotografiert, wie sich die Orte heute darstellen. Die von ihm gewählte Perspektive wird oft durch Panoramaaufnahmen ergänzt, sodass man sich ein Bild von der Umgebung machen kann. Außerdem werden je nach Quellenlage Hintergrundtexte oder Archivmaterialien beigefügt, beispielsweise Zeitungsberichte aus den regionalen Medien.

Was die Orte der Bücherverbrennungen besonders macht, ist ihre Banalität. Im Gegensatz zu beispielsweise ehemaligen Konzentrationslagern, die heute als Gedenkstätten besichtigt werden können, fanden die Bücherverbrennungen meist an Plätzen des alltäglichen Lebens statt. So erinnert sich beispielsweise ein Augenzeuge einer Plünderung und Verbrennung in Zwickau, die in einem Zeitungsbericht als „[E]rfolgreiche Abwehr kommunistischer Umtriebe“ bezeichnet wurde, folgendermaßen: „Die Bibliothek, die sich in der Redaktion befand, fiel dem Terror zum Opfer, einen großen Teil der Bücher warfen die SA-Leute aus dem Fenster in den Hof auf einen Scheiterhaufen. […] Die Bilder dieses Ereignisses sind mir noch immer in Erinnerung, war doch der Hof der Treffpunkt und der Spielplatz für alle Kinder der zwei Häuser […].“ Diese merkwürdige Banalität der Orte zeigt sich auch in den aktuellen Bildern, die Ladengeschäfte, Parkhäuser oder Marktplätze abbilden. Teilweise finden sich in den Begleittexten auch gruselige Kontinuitäten: Auf dem Sportplatz in Haslach im Kinzigtal, an dem 1933 eine Bücherverbrennung stattfand, entstand 1944 eine Außenstelle des KZ Natzweiler-Struthof – womit Heinrich Heines Aussage „dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen“ wohl hinreichend belegt wäre.

Was außerdem auffällt: An den meisten Orten, an denen Bücherverbrennungen stattgefunden haben, finden sich keine Markierungen, die auf die Geschichte des Ortes hinweisen. Während manche, wie der Berliner Bebelplatz (damals Opernplatz) vermutlich bekannt sind, wird die Bücherverbrennung in vielen Fällen wohl auch bei den Menschen vor Ort in Vergessenheit geraten sein. Selbst am Münchner Königsplatz befindet sich erst seit 2021 ein Mahnmal, das an die Bücherverbrennung erinnert.

Um auf diese Geschichte der Orte aufmerksam zu machen, veranstaltet das Team um Jan Schenck neben ihrem Fotoprojekt auch Ausstellungen und Vorträge, aktuell z.B. in Kooperation mit dem Deutschen Exilarchiv 1933-1945 der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt, wo noch bis Anfang Juli die Ausstellung „Verbrannte Orte | Verbannte Worte” besucht werden kann. Auch Lehrmaterialien für Schulklassen werden auf der Seite zur Verfügung gestellt. Seit April 2023 existiert außerdem ein Buch, das aus dem Projekt hervorgegangen ist und Fotografien der verbrannten Orte sowie Aufsätze zu den Bücherverbrennungen und Kurzportraits einiger weniger bekannter Autor:innen enthält, deren Werke verbrannt wurden.

Da bei den Bücherverbrennungen 1933 von einer gewissen Dunkelziffer auszugehen ist, ist das Projektteam bei der Sammlung der Orte und entsprechender Materialien auf Hilfe angewiesen und nimmt gerne Hinweise entgegen. Insbesondere die Verbrennungen, die außerhalb der „Aktion wider den undeutschen Geist“ beispielweise im Rahmen von Volksfesten und Sonnenwendfeiern stattfanden, sind weniger bekannt und dokumentiert. Jan Schenck betrachtet das Projekt daher als nie wirklich abgeschlossen – selbst wenn irgendwann alle Orte fotografiert sein sollten, die Arbeit gegen das Vergessen geht weiter.

lm

Die Verfasserin dankt Jan Schenck und seinem Team für das interessante Gespräch bei der Frankfurter Buchmesse, Infomaterialien und die Erlaubnis zur Verwendung des Projekt-Logos.


Quellen:

Schuster, Stefanie: Wenn Bücher brennen - Potsdam 1933. Verbrannte Orte sichtbar machen. URL: https://open.spotify.com/episode/29iuleoMtKLVmEmR7di7Hm?si=jO5szgnMSnmI1w2X0wPqNQ, zuletzt aufgerufen am 24.05.2023.

Verbrannte Orte. URL: https://verbrannte-orte.de/, zuletzt aufgerufen am 24.05.2023.

 

Bildquelle:

Logo "Verbrannte Orte" © Jan Schenck/Verbrannte Orte e.V.

 

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1 Kommentar(e)

Gast |

07. Juni 2023

Vielen Dank für die tolle Reihe! :)