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Hier berichten wir von den großen und kleinen Erlebnissen unserer Ausbildungsreise – von Exkursionen in alte und neue Bibliotheken, von Studienfahrten und Praktika in fernen und nicht ganz so fernen Städten, von Vorträgen, Konferenzen und natürlich dem Studienleben in München.

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Adventskalender (1): Der Bibliothekar von Babel

Avatar of Student/in Student/in | 01. Dezember 2021 | Adventskalender, Lesestoff



aubib-Adventskalender 2021 (1)

Hier ist er wieder, der aubib-Adventskalender!

Bis Weihnachten stellen wir jeden Tag eine*n Bibliothekar*in vor, mal mehr, mal weniger bekannt, mal echt, mal fiktiv, aber alle höchst interessant ;-)

Los geht's mit niemanden Geringerem als

 

Jorge Luis Borges in der Nationalbibliothek

Jorge Luis Borges (1899-1986)

Er ist einer der größten und einflussreichsten Schriftsteller der Moderne, besonders der spanischsprachigen Literatur. Viele kennen seine "ficciones", Kurzgeschichten, die labyrinthartig oft fantasiereiche Metaphern darstellen. Am bekanntesten ist vielleicht "Die Bibliothek von Babel", aber dazu gleich mehr.

Borges wuchs in Buenos Aires, der Hauptstadt von Argentinien auf. Bibliotheken und Bücher faszinierten ihn schon als Kind, besonders die Hausbibliothek des Vaters, die mehr als 1000 englischsprachige Werke umfasste. Schon in jungen Jahren zog die Familie kreuz und quer durch Europa.

Borges veröffentlichte schon als junger Mann erste Werke und wurde auch ein wenig bekannt, kam aber erst mit 38 Jahren in die Verlegenheit, sich eine "ordentliche" Arbeit suchen zu müssen. Doch er hatte keine Berufsausbildung. So fing er an, als einfacher Mitarbeiter an der Stadtbibliothek von Buenos Aires zu arbeiten, im Arbeiterviertel Almagro Sur. Ein furchtbar schlecht bezahlter Job. Seine Hauptaufgabe: Bücher zu katalogisieren.

Doch schon am zweiten Arbeitstag wurde er von seinen Kollegen beiseite genommen und ihm vorgeworfen, er arbeite zu schnell. Da der Rest der Mannschaft offenbar sehr faul war, solle er nur eine bestimmte Anzahl von Büchern pro Tag katalogisieren, damit die Faulheit der Anderen nicht auffiel. Sie würden sonst alle ihren Job riskieren. Heute natürlich ein undenkbares Szenario ;-)

Borges hielt sich fortan daran, sein Tagespensum schaffte er in der Regel in einer Stunde. Den Rest des Tages verbrachte er damit, Bücher der Bibliothek zu lesen. Das schlechte Arbeitsklima unter Kollegen und die miserable Bezahlung trieben ihn aber in die Depression. Hieraus entstand die Erzählung "Die Bibliothek von Babel", in der es um eine Bibliothek geht, die alle möglichen Bücher der Welt enthält. Jede mögliche Zeichenkombination aller Buchstaben des Alphabets. Die Bibliothek erscheint hier nicht als paradiesische Gegenwelt, sondern als Alptraum, in der sich jeder Besucher hoffnungslos verliert.

Borges nahm im Übrigen in seinen politischen Meinungen kein Blatt vor den Mund - er war überzeugte Antikommunist und Antifaschist - , was ihn letztendlich den Job kostete: Als der Autokrat Juan Péron 1946 in Argentinien an die Macht kam, wurde Borges von den Obrigkeiten zum Marktaufseher für Geflügel und Hasen "befördert" - eine gezielte Demütigung. Borges kündigte, war erstmal arbeitslos und arbeitete dann u.a. als Hochschullehrer weiter.

Als Péron 1955 durch einen Putsch gestürzt wurde, waren Anti-Péronisten plötzlich wieder allseits "beliebt" und so wurde Borges wenige Wochen später zum Direktor der Nationalbibliothek ernannt (die Karriere möchte man auch gerne haben, oder? Vom Katalogisierer einer Stadtteilbibliothek zum Direktor der Nationalbibliothek...). Seine Zeit in der Nationalbibliothek verbrachte er auch übrigens damit, seiner Sekretärin neue Gedichte zu diktieren. Anscheinend war er mit der Leitung der Nationalbibliothek nicht komplett ausgelastet...

Direktor der Nationalbibliothek blieb er dann bis 1973, just bis zu dem Zeitpunkt, als wieder Péron an die Macht kam...

Ein ziemlich außergewöhnliches Bibliothekarsleben, nicht wahr?

(ag)


Literaturtipp: Edwin Williamson: Borges, a life. New York/London: Viking, 2004.

Bildnachweis: Adventskalender: aubib unter Verwendung von Annie Spratt auf Pixabay und Freepik via Flaticon ; Sara Facio, via Wikimedia Commons

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1 Kommentar(e)

FraumitDutt |

22. Dezember 2021

Außerdem hat Borges eine Erzählung mit dem Titel Aleph geschrieben. Sie handelt von einem kleinen Gegenstand, der das ganze Universum enthält :-)