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Bibliotheken und Tiere – Teil 10: der Bücherfeind

Avatar of Student/in Student/in | 16. Oktober 2021 | Gedankensprünge, Bibliotheken und Tiere, Fachliches



Jede*r von uns kennt den Bücherfreund (oder etwas weiter südöstlich ausgedrückt: den Bibliophilen), viele davon tummeln sich in unseren Bibliotheken als Nutzer*innen oder Mitarbeiter*innen herum. Ob die „Liebe zum Buch“ (wie Bibliophilie wörtlich übersetzt wird) sich nun durch das „Sammeln von schönen, seltenen oder historisch wertvollen Büchern“ äußert (Wikipedia) oder aber allgemeiner durch die immer noch nicht aus der Mode gekommene Freude am haptischen Erlebnis eines beliebigen Heimatkrimis, mag unterschiedlich sein. Spätestens wenn die Bibliophilie aber in die krankhafte Sammelwut, die sogenannte Bibliomanie, übergeht, sollte man vorsichtig werden. Da kann man nur hoffen, dass die heilige Wiborada wacht – sie ist nicht nur die Schutzheilige der Köchinnen und Pfarrhaushälterinnen, sondern auch der Bücherfreunde.

Nun wurde ich vor Kurzem durch eine interessante virtuelle Ausstellung zum Thema Mikroben in Büchern (hier online) darauf aufmerksam gemacht, dass das Deutsche Wörterbuch der Gebrüder Grimm (ab 1852 veröffentlicht) nicht nur den Bücherfreund als Eintrag kennt, sondern auch den „Bücherfeind“. Bücherfeind? Hatte man im 19. Jahrhundert etwa schon eine dunkle Vorahnung von bibliophoben, papierverachtenden digital natives, die nichts lesen, was keinen Strom braucht? Verteidigen sie mit dem Schwert, Pfeil und Bogen die letzten Bastionen anderer Schriftträger wie Wachstafeln, Felsen oder Holz und bekämpfen energisch den Siegeszug von Papyri, Pergament und Papier? Weit gefehlt.

Es handelt sich bei einem „Bücherfeind“, wie uns die Gebrüder Grimm aufklären, um Dermestes lardarius, der im Deutschen auch Gemeiner Speckkäfer genannt wird.

Der etwa 7-9 Millimeter messende Käfer bzw. seine Larven ernähren sich gerne von organischen Stoffen wie Wolle, Textilien und tierischen Überresten, verschmähen aber auch pflanzliche Fasern nicht, und hausen gerne in menschlichen Wohnungen. Mittelalterliche Codices aus Pergament (das aus Tierhaut gewonnen wird), Ledereinbände, sowie alte Drucke, die mit Papier aus Pflanzenfasern und Lumpen hergestellt wurden, sind also im wahrsten Sinn des Wortes ein „gefundenes Fressen“ für Bücherfeinde.

Idealerweise sollte man in Bibliotheken bereits präventiv dafür Sorge tragen, dass möglichst wenig Schädlingsinsekten überhaupt ins Magazin eindringen. Ist es einmal geschehen, wird ein systematisches Monitoring z.B. mittels Klebefallen empfohlen, um Ausmaß und Ausbreitung der uneingeladenen Gäste festzustellen.

Bekämpft werden können diese in Bibliotheken z.B. durch sogenannte anoxische Behandlung, d.h. Begasung durch Kohlenstoffdioxid und Stickstoff bzw. eine Reduktion des Sauerstoffs in der Luft. Natürlich in abgeschlossenen Behältern/Räumen ohne Menschen.

Auch Tieffrieren der befallenen Bücher auf -30 °C mit Gefriertrocknung oder Wärmebehandlung (maximal 58° C für eine Stunde) ist möglich.

Die Klosterbibliothek des Stiftes Admont (Steiermark) hatte beispielsweise vor einigen Jahren mit Schädlingsbefall durch Speckkäfer zu kämpfen, woraufhin eine Spezialfirma die gesamte Bibliothek begaste, nicht ohne vorher fein säuberlich sämtliche Türen und Ritzen gasfest mit Folien zu versiegeln.

Übrigens: Menschliche Bücherfeinde scheint es doch auch zu geben. 2007 erschien sogar ein ganzer Aufsatzband über „Formen der Bücherzerstörung in Literatur, Kunst und Religion“ (hrsg. von Mona Körte). Darin bezeichnet Kirsten Dickhaut den menschlichen Bücherfeind als „Biblioklast“ - ähnlich dem Ikonoklast also, der im übertragenen Sinn Götzenbilder schändet (und damit keinen Respekt vor göttlichen Autoritäten hat), schänden Biblioklasten Bücher. Gut, dass unser Blog digital daherkommt, sonst müssten wir uns für Zerstörer von Bibliotheksblogs auch noch ein griechisches Kompositum einfallen lassen...

 

Weiterführende Links:

Virtuelle Ausstellung „Die kontaminierte Bibliothek“

Bundesarchiv: „Prävention und Behandlung von Schädlingsbefall in Archiven“

kirchenbegasung.at, „Schädlinge bekämpfen im Stift Admont"

 

(Bildnachweis: André Karwath, via Wikimedia)

(ag)

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1 Kommentar(e)

mb |

28. Oktober 2021

Auch einen Blick wert ist sicherlich auch "Burning the Books" von Richard Ovenden