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Die Edelsteine (18) - Die Edelsteine

Avatar of Student/in Student/in | 24. Dezember 2020 | Adventskalender, Lesestoff



Kapitel 18: Die Edelsteine

Kies erreichte das Auktionshaus Baye erst viertel vor Acht. Der Berufsverkehr, gefolgt von einer mühsamen Parkplatzsuche, waren schuld, so dass sie fast zwei Stunden gebraucht hatte. Als sie schon fast die Stufen zum Eingang erreicht hatte, klingelte ihr Handy. Es war Feichtenbeiner. Sie entfernte sich ein paar Schritte, stellte sich in eine Nische und hob ab.

„Kies, was ist denn mit Ihnen los? Der Magaziner sagte mir, er hätte Sie heute morgen um Sechs aus der Bibliothek eilen sehen. Was machen Sie so früh im Hause?“

„Herr Direktor, ich bin gerade auf dem Weg ins Auktionshaus Baye.“

Am anderen Ende der Leitung blieb es ein paar Sekunden lang still. „….was?“

„Ich muss wichtige Nachforschungen bezüglich der Entführung anstellen.“

„Nein, bitte nicht. Frau Kies, tun Sie mir das nicht an, hören Sie?!“ Feichtenbeiner wurde lauter. „Die Angelegenheit ist Geschichte! Wir haben seit zwei Monaten nichts mehr gehört. Was gestohlen wurde, ist weg, und ist nicht mehr aufgetaucht. Unser alter Kollege ist vermutlich nicht mehr am Leben.“

„Herr Direktor, es ist wirklich wichtig!“

„Frau Kies, ich kann es auch auf Englisch sagen: ‚Stop watering dead plants!‘ Es ist vollkommen sinnlos. Und falls Ihnen das nicht genügen sollte, muss ich auch mit Sanktionen drohen: Ihre Schicht beginnt um zehn, bis dahin sind Sie wieder in der Bibliothek, sonst – werde ich disziplinarrechtliche….“

Kies schneidete ihm das Wort ab. „Nein, hören Sie! Herr Direktor, wenn Sie Wert drauf legen, den Codex Bernensis jemals wieder zu sehen, dann bewegen Sie mal Ihren Hintern und kommen baldmöglichst zum Auktionshaus Baye. Ich erwarte Sie.“

Damit legte sie auf. Zugegeben, ihre Wortwahl war etwas harsch. Doch in der Sache war sie sich sicher. Die zwei Edelsteine, die im Auktionskatalog abgebildet waren, waren identisch mit denen, die auf dem Prachteinband des Codex Bernensis saßen.

Am Eingang zeigte sie selbstbewusst die Akkreditierung vor, die sie nachts aus Couleuvres Büro entwendet hatte. Der Trick funktionierte. Obwohl dort deutlich „Matthias Couleuvre“ stand, wurde nur ein flüchtiger Blick darauf geworfen, und sie durchgelassen. Der Saal war ziemlich voll.

Auch wenn das ihre erste Auktion war, die sie miterleben durfte, war Kies doch etwas erstaunt ob dem Andrang. Sie suchte sich einen Stehplatz in einer hinteren Ecke. Ein Herr mittleren Alters bemerkte ihren erstaunten Gesichtsausdruck und raunte ihr blinzelnd zu. „Heute werden auch Briefe aus der Korrespondenz der Wittelsbacher versteigert. Da ist der Andrang etwas größer.“

Die Auktion begann. Los um Los wurde aufgerufen. Kies wurde unruhig, schaute auf ihr Handy. Sie begann die Köpfe der Menschen, die vor ihr auf den Stühlen im Saal saßen, abzusuchen. Ihr Blick fiel auf eine Männersilhouette. Sie bewegte sich ganz langsam und unauffällig an der Wand entlang weiter nach vorne, ohne den Mann aus dem Blick zu verlieren. Schließlich war sie auf Augenhöhe seiner Sitzreihe angekommen.

Der Mann hatte schulterlange, blonde Haare, einen Vollbart und trug eine Sonnenbrille, die die Augen fest umschlossen. Das Gesicht war ihr nicht bekannt, aber Statur und Sitzhaltung erinnerten sie schon an jemanden. Sie tat so, als müsse sie ihre Schnürsenkel binden und kniete sich nieder. Ihr Blick wanderte zwischen die Stuhlbeine und die Beine der Männer, die dort saßen. Der Mann mit dem blonden Haar und dem Vollbart hatte schwarze Lackschuhe an. Plötzlich bemerkte sie es. Das letzte Indiz, der letzte Beweis, der noch fehlte, er war glasklar vor ihren Augen.

Fast hätte sie geschrien, doch sie schaffte es, sich zu beherrschen. Ihr Herz pulsierte. Sie richtete sich langsam und ebenso unauffällig wieder auf, schob sich langsam Richtung hintere Ausgangstüre. Auf dem Flur begann sie zu laufen, rannte die Treppe hinunter, fast hätte sie sich was gebrochen. Sie stürmte hinaus vor die Eingangstür, und begann zu zittern.

Wenige Minuten später fuhren Feichtenbeiner und Kommissar Feist vor. Feist zeigte seine Dienstmarke am Eingang vor, gemeinsam schritten sie die Treppe wieder hinauf, ohne dass einer von ihnen ein Wort sagte. Wer ihnen entgegenkam, drückte sich sofort an die Seite, so raumeinnehmend und schnell gingen die drei nebeneinander voran. Kies drückte die Saaltür energisch auf. In diesem Moment wurde das nächste Los aufgerufen. Zwei Edelsteine.

Der Auktionator hielt plötzlich inne, blickte auf die drei Gestalten, angeführt von einer Frau, die selbstbewusst den Mittelgang entlang schritt. Die Leute im Saal begannen schon vereinzelt, sich umzudrehen. Sie kamen an der Sitzreihe an, wo der blonde Mann mit dem Vollbart saß. Kies legte ihre Hand auf die Schulter des Mannes, und sagte laut, so dass es alle hören konnten:

„Herr Couleuvre? Würden Sie bitte mitkommen?“

(ag)

(Bildnachweis: 12995263, via Pixabay)

 

 

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