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Hier berichten wir von den großen und kleinen Erlebnissen unserer Ausbildungsreise – von Exkursionen in alte und neue Bibliotheken, von Studienfahrten und Praktika in fernen und nicht ganz so fernen Städten, von Vorträgen, Konferenzen und natürlich dem Studienleben in München.

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Weltkarte




Die Carpentries sind ein Community-Projekt!

Avatar of Externe/r Autor/in Externe/r Autor/in | 13. Dezember 2019 | Gastbeitrag, Interview



Mikrophon

Heute haben sich Herr Dr. Mehlberg und Herr Dr. Walker Zeit für ein Interview mit uns genommen. Beide sind Mitglied der Kommission für berufliche Qualifikation des VDB (Verein Deutscher Bibliothekarinnen und Bibliothekare).

aubib.de: Martin, du arbeitest als Fachreferent für Anglistik, Romanistik sowie Sprach- & Literaturwissenschaften an der SuUB Bremen. Davor warst du Teil des Open Science Labs (OSL) der TIB Hannover und hast dich dort unter anderem mit "CoScience" beschäftigt. Interessanter Begriff - worum ging es da?
Martin: Puuh, das liegt ja alles weit in der Vergangenheit. Das war ein Projekt noch in der Anfangszeit, wir haben da einen Booksprint für ein Handbuch organisiert, um eine Ressource zu wichtigen Themen im Open-Science-Bereich zu produzieren. "CoScience" war ein Kunstbegriff von uns, um das im Kontext von Open Science wichtige Thema der Kollaboration stärker ins Bewusstsein zu rücken. Wichtig war es, und das ist ja ganz oft bei den Projekten des OSL der Fall, neue und innovative Dinge auszuprobieren. Booksprints waren noch nicht sehr verbreitet und es freut mich, dass das damals entstandene Handbuch auch heute noch von Bedeutung ist! Erst kürzlich habe ich in den Richtlinien der Universität Bremen zur institutionellen Zugehörigkeit in Forschungspublikationen einen Verweis auf genau diese Ressource entdeckt. Ein halbes Jahr später haben wir verschiedene Autoren des Booksprints dann nochmal eingeladen, um Video Lectures aufzunehmen, wie gesagt: ausprobieren!

aubib.de: Andreas, du arbeitest an der SUB Göttingen, im Bereich "Metadaten & Datenkonversion". Auch du beschäftigst dich mit Open Access, unter anderem hast du deine (preisgekrönte!) Dissertation aus Überzeugung OA zur Verfügung gestellt. Im Artikel zur Preisverleihung wurden dir glänzende Aussichten in der Wissenschaft bescheinigt - böse Zungen würden jetzt fragen, wieso also das Bibliothekswesen?
Andreas: Aus Überzeugung! Ich habe mich gefragt: Wo kann ich mit den Dingen, die ich gut kann, etwas Sinnvolles tun? Bibliotheken haben meine wissenschaftliche Karriere immer begleitet. Schon 2011 habe ich parallel zum Master eine Bibliotheksausbildung in England gemacht. Das Thema Bibliothek hat mich gereizt, weil ich die formale Modellierung von Wissensgebieten spannend finde und Bibliotheken oft einen höheren Anspruch an Infrastruktur haben. Wo Wissenschaft oft projektgetrieben ist, geht es in Bibliotheken darum, langfristige, verlässliche Strukturen aufbauen.
aubib.de: Und dieser Weg hat sich als der richtige erwiesen?
Andreas: Auf jeden Fall, auch in meiner jetzigen Abteilung arbeiten wir mit hohen Ansprüchen!

aubib.de: Obwohl ihr euch beide damit beschäftigt, arbeitet ihr nicht zum Thema Open Science zusammen, sondern seid beide in der Kommission für berufliche Qualifikation. Welche Aufgaben erfüllt diese Kommission?
Andreas: Die Kommission hat ein sehr breites Portfolio an Aufgaben und Angeboten. Beispielsweise engagieren wir uns jetzt für die Library Carpentries, aber bieten auch ein Mentoring-Programm an. Darüber hinaus sind wir Ansprechpartner für alle, die Fragen zum Thema Berufseinstieg oder Quereinstieg und Aus-/Fortbildung haben und geben, wo möglich, Empfehlungen ab.
Martin: Und natürlich sind wir mit anderen Gremien vernetzt, zum Beispiel engagieren sich zwei unserer Kommissionskolleginnen auch in der AG Personalgewinnung. Dadurch können wir unser Profil schärfen und uns stärker bei der Weiterentwicklung von Qualifizierungsangeboten einbringen.

aubib.de: Inwiefern betrifft denn die Arbeit dieser Kommission uns Studierende direkt?
Andreas: Unsere Angebote wenden sich durchaus direkt an Studierende und BerufseinsteigerInnen. Das Mentoring bespielsweise spricht sehr gezielt und direkt Menschen an, die ganz frisch eine neue Aufgabe mit Führungsverantwortung annehmen. Die Instructor-Trainings für die Carpentries sind zwar "etwas meta", insofern, als dass sie sich erst einmal an potentielle AusbilderInnen wenden, aber auch hier sind natürlich auch Studierende mit angesprochen.
Martin: Ja, ich denke auch, dass wir hier im Prinzip auf zwei Schienen unterwegs sind. Neben Aktivitäten, die "etwas meta" sind, wie es Andreas ausgedrückt hat, gibt es zum Beispiel auf den Bibliothekartagen auch immer die Möglichkeit, an unseren öffentichen Arbeitssitzungen teilzunehmen, um zu netzwerken und sich zu informieren. Auch für den kommenden Bibliothekartag haben wir wieder ein World-Café eingereicht: Dieses Mal soll es darum gehen, bereits aktive InstruktorInnen mit KollegInnen aus Bibliotheken, die in Zukunft gern Library-Carpentry-Workshops durchführen wollen, zusammenzubringen.

aubib.de: Andreas, du hast es ja schon angesprochen, momentan läuft die dritte Runde des Mentoring-Programms, wofür ist das gedacht?
Andreas: Das richtet sich an Personen, die frisch Führungsaufgaben und Personalverantwortung übernehmen. Entsprechende Plätze werden  ausgeschrieben und auch Mentoren werden gesucht. Anschließend gibt es einen Matching-Workshop für das Zusammenfinden von Mentoren und Mentees.  Über ein Jahr hinweg haben diese dann regelmäßig Kontakt und tauschen sich aus. Dazu gibt es eine Abschlussveranstaltung. Natürlich kann auch darüber
hinaus Kontakt bestehen, das Programm ist aber auf ein Jahr ausgelegt.

aubib.de: Soweit man hört läuft das sehr gut?
Andreas: Ja, sehr gut! Das Format ist äußerst beliebt, auf beiden Seiten. Immerhin kann jeder etwas lernen, auch Mentoren erfahren Perspektiven, die für sie wichtig sind und ihnen wird gezeigt, was jüngere KollegInnen gerade umtreibt.

aubib.de: Und dann stehen momentan natürlich die Library Carpentries (LCs) im Vordergrund, wegen derer der VDB Mitglied bei den Carpentries geworden ist.
Martin: Genau, diese Entscheidung ist in diesem Jahr im VDB-Vorstand gefallen, und wir als Kommission haben jetzt die Aufgabe übernommen, das auf der operativen Ebene auszugestalten.
Andreas: Die Bedeutung des Themas zeigt sich zum Beispiel in der Stellungnahme des VDB zum Papier des Rats für Informationsinfrastrukturen "Digitale Kompetenzen - dringend gesucht!". Der Rat legt dort den Bedarf für digitale Kompetenzen im Wissenschaftsbereich dar und eine der Antworten des VDB auf die bibliotheksspezifischen Punkte ist die Unterstützung der Carpentries. Bisher gab es es da eine Lücke im Bereich der bibliothekarischen Fortbildung, da stellen die LCs ein wichtiges Angebot dar!

aubib.de: Eine Lücke?
Andreas: Ja. Der Gedanke der LCs ist es nicht, IT-Spezialisten zu ersetzen, sondern sehr grundlegende Fähigkeiten der "neuen Kulturtechniken" in der Digitalisierung zu vermitteln. Die ersten Carpentries waren ja "Software Carpentry" und "Data Carpentry" und zwar als Ergänzung in Studiengängen, die immer mehr mit Daten arbeiten müssen, wie Sozialwissenschaften oder der Biologie, deren Curriculum darauf aber nicht immer ausreichend vorbereitet.
Die Carpentries sollen dafür Handwerkszeug vermitteln, eben einen Grundstock z.B. den Umgang mit der UNIX-shell, das Verfassen kleinerer Skripte oder Datei-Versionierung.

aubib.de: An euch kann man sich wenden, wenn man Instructor werden möchte, also Carpentry Workshops leiten. Was sollte man dafür mitbringen, was kann man erwarten?
Andreas: Im Instructor-Training findet keine technische Ausbildung statt. Stattdessen wird auf die nötige Pädagogik eingegangen, die man für das erfolgreiche Vermitteln bestimmter Kenntnisse braucht. Gleichzeitig richtet sich das Training aber nicht nur an reine InformatikerInnen, sondern auch an Menschen, die sich das Handwerkszeug auch selbst beigebracht haben und sich damit gut in die Lage der WorkshopteilnehmerInnen versetzen können.  Dadurch entsteht dieser Community-Charakter, der für die Carpentry-Pädagogik typisch ist. Und ganz konkret: die VDB-Mitgliedschaft ermöglicht es uns, 6 Instructors pro Jahr schulen zu lassen. Diese Plätze werden ausgeschrieben und das Online-Training dann vermittelt.
Martin: Interesse ist auf jeden Fall da, wir haben schon jetzt eine interne Warteliste! Eine Möglichkeit ist es auch, erstmal bei anderen Workshops zu helfen, bevor man am Training teilnimmt. So kann man ein Gefühl dafür bekommen und solange ein zertifizierter Instructor anwesend ist, gilt es als offizieller Carpentry-Workshop.
Andreas: Natürlich sind alle Informationen, Workshop-Materialien und Pädagogik-Informationen auch online, man kann solche Workshops ebenso "inoffiziell" veranstalten. Der offizielle Rahmen dient vor allem der Qualitätskontrolle.
Martin: Richtig! Alle Materialien sind als OERs (Open Educational Resources) veröffentlicht und damit für den "Kollegenrahmen" nachnutzbar.
Andreas: Außerdem kann man sich für das Training als Instructor auch direkt bei den Carpentries bewerben - der VDB ist hier nur Vermittler und hat quasi Plätze reserviert.

aubib.de: Und Carpentry-Workshops werden dann über den vdb organisiert?
Martin: Das ist alles noch recht frisch. Bisher wurden Workshops oft über persönliche Kontakte organisiert. In Zukunft soll die Kommission zusätzlich eine vermittelnde Rolle einnehmen, aber es gibt weiter verschiedene Wege. Auch die Kosten halten sich ja in Grenzen, denn die instructors
machen das alles ehrenamtlich, es fallen also nur Fahrt- und Unterbringungskosten und ggf. eine kleine Entschädigung an.
Andreas: Es ist uns wichtig, das Prinzip nicht zu institutionalisieren, stattdessen wollen wir unterstützen, vernetzen und eine Community bilden. Darum dreht sich auch eine der Fragen für den Bibliothekartag 2020: Wie bringt man Interessierte und Instructors am besten zusammen?
Martin: Der erste Workshop dieser Art war in Deutschland erst im Mai oder Juni 2018, das hat sich rasant entwickelt!

aubib.de: Und auch schnell etabliert!
Andreas: Ja, und das zeigt das Interesse und die Notwendigkeit des Formats.

aubib.de: Die LCs zeigen ja deutlich: Die benötigten Kompetenzen werden immer vielfältiger und spezifischer. Kann es denn den oder die Bibliothekar/in in Zukunft noch geben, oder wird unser Berufsstand zum Rahmen für viele verschiedene Gruppen?
Andreas: Oh je, die Berufsbilddebatte wird ja schon seit hunderten Jahren geführt, genauso wie die Fragen "Gibt es in 100 Jahren überhaupt noch Bücher oder Bibliotheken?". Die Frage ist vielleicht eher, was hätte ein Bibliothekar oder eine Bibliothekarin in hundert Jahren einer Bibliothekarin oder einem Bibliothekar von heute zu sagen? Die Schnittpunkte sind, denke ich, größer, als man meint. IT schafft neue Arten und Weisen des Umgangs mit Daten und Objekten, aber die Philosophie dahinter bleibt in vielen Punkten gleich. Auch Datenbankdesign und Forschungsdatenmanagement brauchen  bibliothekarische Kompetenzen und ein Gespür für die Fächer und Wissenschaften, deren Daten wir managen.
Martin: Ich bin mir ziemlich sicher, dass es auch in 10, 20 oder 30 Jahren Bibliotheken noch geben wird. Andreas hat es ja bereits angedeutet: Die grundsätzliche Aufgabe, Dienstleistungen für die Wissenschaft zu erbringen und zu entwickeln, bleibt. Man darf auch nicht vergessen, dass die klassischen Bibliotheksaufgaben ja auch durchaus noch existieren, wir nehmen nur so viele zusätzliche auf. Genau deswegen braucht es zusätzliche Qualifizierung.
Andreas: Genau! Wir alle sind in der Lage neue Kompetenzen zu erlernen, die Carpentries wollen Lust darauf machen und den Gedanken "das muss doch einfacher gehen" in der täglichen Arbeit aufgreifen. Hilfe zur Selbsthilfe gewissermaßen.
Martin: So ist es. Und deshalb hier noch einmal der Hinweis auf den nächsten Bibliothekartag: Wenn alles glatt geht, wird es dort auch einige Hands-On-Labs mit LC-Inhalten geben. Und so oder so, man darf immer gerne einen Kaffee mit uns trinken und sich austauschen. Die Carpentries sind ein Community-Projekt!

aubib.de: Vielen Dank für das Interview!

 

 

 

Bild:
pixabay license Pexels https://pixabay.com/photos/audio-condenser-microphone-music-1844798/

Literatur:
https://www.uni-bremen.de/fileadmin/user_upload/forschung/Ranking/Richtlinien_Forschungspublikationen.pdf
https://www.vdb-online.org/wordpress/wp-content/uploads/2019/11/VDB_Digitale-Kompetenzen-in-Bibliotheken.pdf
https://www.vdb-online.org/wordpress/wp-content/uploads/2019/01/2019_VDB-Mentoring_Leitfaden.pdf

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