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Lehrausstellung „Impfgegner in Bayern zu Beginn des 20. Jahrhunderts“

Avatar of Student/in Student/in | 09. Februar 2023 | Projekt, Ausstellung | Archiv



Ankündigungsplakat des Münchener Impfgegnervereins für eine Versammlung, 1910
Ankündigungsplakat des Münchener Impfgegnervereins für eine Versammlung, 1910

Noch bis zum 7. Februar kann im Bayerischen Hauptstaatsarchiv die kleine Ausstellung „Impfgegner in Bayern zu Beginn des 20. Jahrhunderts“ besucht werden. Sie bildet den Auftakt zu einer ganzen Reihe von Lehrausstellungen, die die Anwärterinnen und Anwärter für die 3. Qualifikationsebene des fachlichen Schwerpunkts Archivwesen an unserem Fachbereich im Rahmen ihres Vorbereitungsdienstes erarbeitet haben.

Kevin Beesk vom Stadtarchiv Augsburg nimmt in seiner Lehrausstellung die impfgegnerische Bewegung und ihre Agitation in Bayern zu deren bisher wohl aktivster Zeit in den Blick, vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis etwa zum Ende des Ersten Weltkriegs. Impfskepsis und Impfgegnerschaft sind nämlich beileibe keine Phänomene der Corona-Pandemie und der jüngsten Debatten über neuartige Impfstoffe oder eine allgemeine Impfpflicht. Vorbehalte und Widerstand gegen Impfungen gab es praktisch seit der Entdeckung dieses neuartigen Verfahrens durch den englischen Landarzt Edward Jenner Ende des 18. Jahrhunderts. Spürbaren Zulauf erlebte die impfgegnerische Bewegung im Deutschen Reich dann insbesondere seit der Einführung einer allgemeinen Impfpflicht gegen die Pocken im Jahr 1874. Ein Hauptaugenmerk der kleinen Ausstellung liegt auf den vielfältigen Mitteln und Wegen, welcher sich die Impf­geg­ner bei ihrer Agitation gegen die Schutzpockenimpfung und den im Reichsimpfgesetz festgeschriebenen Impfzwang bedienten.

Die Lehrausstellung wurde am 30. Januar mit einem ausführlichen Artikel in der „Süddeutschen Zeitung“ gewürdigt, was sicher eine besondere Auszeichnung darstellt. Auch vonseiten der Besucher wird die Ausstellung gut angenommen, weshalb beabsichtigt ist, sie nach dem ursprünglich vorgesehenen Enddatum in das benachbarte Staatsarchiv München zu überführen und dort ab 27. Februar erneut zu zeigen.

 

Der Beitrag in der „SZ“ kann unter folgendem Link abgerufen werden: https://www.sueddeutsche.de/bayern/muenchen-bayerisches-hauptstaatsarchiv-ausstellung-impfung-pocken-1.5742038?reduced=true

Das ausstellungsbegleitende Faltblatt steht auf den Seiten der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns zum Download bereit: https://www.gda.bayern.de/publikationen/lehrausstellungen-der-bayerischen-archivschule/

Kevin Beesk

 

Bildquellen:

Thumbnail: Periodikum „Der Impfgegner“ (29. Jahrgang, Nr. 1), 1911, Druck, Papier, 31,8 x 21,4 cm, gezeigt wird die Titelseite. Staatsarchiv Bamberg, K6 Nr. 4451.

Ankündigungsplakat des Münchener Impfgegnervereins für eine Versammlung, 1910, Plakat, Papier, 85 x 63 cm. Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Plakatsammlung 18936.

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5 Kommentar(e)

Kevin Beesk |

25. April 2023

Hallo Herr Dr. Wormer,

vielen Dank für Ihr konstruktives Feedback hier und vor Ort im Gästebuch – es freut mich sehr, dass Sie sich die Zeit genommen haben, meine Lehrausstellung in München zu besuchen, und daran anknüpfend sogar einen Artikel zum Thema verfasst haben.

Ihre Kritik an der Beleuchtungsstärke, die zum Schutz der im Original gezeigten Archivalien vor übermäßiger Lichtexposition bewusst niedrig eingestellt worden war, habe ich intern weitergegeben. Der nachvollziehbare Wunsch nach einer möglichst guten Ausleuchtung einerseits und die Vorgaben aus der Bestandserhaltung andererseits stehen sich hier bedauerlicherweise recht unversöhnlich gegenüber.

Ja, der Fall Molenaar ist ausgesprochen spannend, da stimme ich Ihnen voll und ganz zu. Bereits der Umfang der Überlieferung ist beachtlich – fünf stattliche Personalakten (leider liegt nur der von Ihnen durchgesehene Akt als Digitalisat vor) hat wahrlich nicht jeder Gymnasiallehrer zu füllen vermocht. Bemerkenswert ist dabei auch, dass Dr. Molenaars Impfgegnerschaft von 1910 an bis zu den letzten Einträgen in den Akten wirklich durchgehend fassbar bleibt.

Noch einmal besten Dank für Ihre Mühe!


Eberhard J Wormer |

16. April 2023

Hallo Herr Beesk. Ich hatte Gelegenheit Ihre Ausstellung zu besuchen. Die Redaktion Springer Medizin fand das Thema spannend. Ich hätte mir mehr Licht auf den ausgestellten Medien gewünscht, war schwierig lesbar. So richtig spannend wurde die Sache, als ich die 420 Seiten Personalakte Molenaar durchgesehen hatte. Gut, dass die Quelle digitalisiert wurde und zugänglich ist. Die Geschichte wurde in NeuroTransmitter 34 Heft 4, 2023, S. 51–53 veröffentlicht. doi: 10.1007/s15016-023-3090-1

Alles Gute!


Leserin |

23. Februar 2023

Vielen Dank für die Erläuterung!


Kevin Beesk |

20. Februar 2023

Vielen Dank für das positive Feedback und die Nachfrage, die ich natürlich gerne beantworte:

 

Im Reichsimpfgesetz wird an einer Stelle tatsächlich das Wort "Impfzwang" verwendet, nämlich in Paragraph 13, wo es heißt: "Die Vorsteher derjenigen Schulanstalten, deren Zöglinge dem Impfzwange unterliegen (§. 1, Ziffer 2), haben bei der Aufnahme von Schülern durch Einfordern der vorgeschriebenen Bescheinigungen festzustellen, ob die gesetzliche Impfung erfolgt ist. [...]"

Außerdem bestimmt Paragraph 18: "[...] Die in den einzelnen Bundesstaaten bestehenden Bestimmungen über Zwangsimpfungen bei dem Ausbruch einer Pocken-Epidemie werden durch dieses Gesetz nicht berührt. [...]"

 

Das Wort "Impfpflicht" kommt im Gesetzestext nicht explizit vor, doch werden die vom Gesetz erfassten Kinder als "Impfpflichtige" (Paragraph 2) bezeichnet.

Zudem werden die Kinder bei Erreichen des vorgeschriebenen Alters "impfpflichtig" (Paragraph 13).

 

Interessant ist in diesem Zusammenhang sicher auch, dass das (Reichs-)Impfgesetz während der Beratungen im Reichstag zunächst als "Gesetz über den Impfzwang" firmierte.

Die Umbenennung in das neutrale "Impfgesetz" erfolgte erst im Zuge der Verwerfung der damaligen Paragraphen 14 und 15 (darin sollte unter anderem festgeschrieben werden, dass "die Impfung mittelst Zuführung zur Impfstelle erzwungen werden" kann; stattdessen wurde dann der oben zitierte Passus in Paragraph 18 ergänzt).

Auch in den stenografischen Berichten über die Verhandlungen des Deutschen Reichstags sprechen die Abgeordneten immer wieder vom "Impfzwang".

 

Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass die Begriffsverwendung „Impfzwang“ statt „Impfpflicht“ damals keineswegs auf die impfgegnerische Bewegung beschränkt war, sondern vielmehr auch von staatlicher Seite gepflegt wurde.

Dies mag sicherlich auch im damaligen Verständnis vom Verhältnis „Staat – Bürger (bzw. besser: Untertan)“ begründet liegen, das in einem Obrigkeitsstaat wie dem Deutschen Kaiserreich vorherrschte.


Leserin |

13. Februar 2023

sehr interessant!

Wurde im Reichsimpfgesetzt tatsächlich das Wort "Impfzwang" verwendet, das heute eher von Impfkritikern bzw. -gegnern verwendet wird? Oder sprach man damals schon von einer "Impfpflicht"?