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Hier berichten wir von den großen und kleinen Erlebnissen unserer Ausbildungsreise – von Exkursionen in alte und neue Bibliotheken, von Studienfahrten und Praktika in fernen und nicht ganz so fernen Städten, von Vorträgen, Konferenzen und natürlich dem Studienleben in München.

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Die slowenische National- und Universitätsbibliothek - Jože Plečniks Meisterwerk

Avatar of Student/in Student/in | 15. Januar 2023 | Bibliotheken | International, Lesestoff



Außenansicht der National- und Universitätsbibliothek
Außenansicht der National- und Universitätsbibliothek vom Novi trg aus

Die heutige National- und Universitätsbibliothek in Ljubljana (Narodna in univerzitetna knjižnica, kurz NUK) blickt auf eine lange Geschichte zurück, die mit einem Dekret Maria Theresias von Österreich beginnt. Als Regentin der Habsburgermonarchie, zu der das heutige Gebiet Sloweniens damals gehörte, verfügte sie, dass aus den Bibliotheksbeständen mehrerer aufgelöster Klöster eine Bibliothek für das Lyzeum Ljubljanas gegründet werden solle, und legte damit den Grundstein für eine Sammlung, die heute knapp 3 Mio. Medien umfasst.

Die Bestände der Bibliothek wuchsen rasch an dank der frühen Einführung eines Pflichtabgabegesetzes (1807), zunächst nur für das Herzogtum Krain, das später Teil Sloweniens wurde. Bedingt durch die wechselhafte Geschichte Südosteuropas und die verschiedenen Staatengebilde, denen das Gebiet der heutigen Republik Slowenien über die Jahrhunderte angehörte, variierte auch das Gebiet, aus dem die Bibliothek Pflichtexemplare bezog, immer wieder: Neben der Region Krain gehörten später zeitweise mehrere umliegende Provinzen zu ihrem Sammlungsgebiet, ab 1919 das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen und nach dem zweiten Weltkrieg die Teilrepublik Slowenien in der SFR Jugoslawien.

Der Bau des aktuellen Bibliotheksgebäudes wurde nötig, nachdem 1895 ein heftiges Erdbeben das ehemalige Gebäude zusammen mit vielen weiteren in Ljubljana zerstörte. Während der fast fünf folgenden Jahrzehnte, die es dauerte, bis ein neues Gebäude erbaut und bezogen werden konnte, lagerten die Bestände der Bibliothek in verschiedenen Provisorien. Das Raumproblem spitzte sich umso mehr zu, als 1918 in Ljubljana die erste Universität Sloweniens gegründet wurde und die Bibliothek zusätzlich die Rolle der Universitätsbibliothek übernahm. Zu diesem Zeitpunkt lagerten ihre Bestände in einem Schulgebäude, wo den Studierenden und Wissenschaftler:innen lediglich 18 Arbeitsplätze geboten werden konnten - kein tragbarer Zustand für eine neugegründete Hochschule mit wachsender Studierendenschaft.

Portrait Plečniks am Zeichentisch
Jože Plečnik (1943)

In diese Zeit fiel auch eine umfassende Neugestaltung des Stadtbildes Ljubljanas durch den slowenischen Architekten Jože Plečnik. Das wachsende Nationalbewusstsein im Land nach dem Ende der österreich-ungarischen Doppelmonarchie sollte sich in einem modernen, eindrucksvollen Stadtbild widerspiegeln, das einer europäischen Hauptstadt würdig war. Die Wahl für diese große Aufgabe fiel auf Plečnik, der selbst aus Ljubljana stammte und sich nach seiner Ausbildung in Wien durch wichtige Projekte in der österreichischen Hauptstadt und in Prag einen Namen gemacht hatte. Im Rahmen seiner Neukonzeption Ljubljanas gestaltete er vor allem Gebäude wie eine Markthalle, Kirchen und den Zentralfriedhof sowie öffentliche Plätze, Parks, Brücken und die Uferpromenade entlang der Ljubljanica.

Die NUK besuchte Jože Plečnik laut einem Eintrag im Gästebuch erstmals 1919, damals noch in ihrer provisorischen Unterbringung. Bald zeigte er Interesse an der Planung eines neuen Standortes für die Bibliothek und ließ seine Schüler nach seinen Vorgaben erste Pläne entwerfen. Sein Konzept sah Platz für eine halbe Million Bücher vor, die, aus der Erfahrung des Katastrophenfalls heraus gedacht, in voneinander abgetrennten, feuergeschützten Räumen aufgestellt werden sollten. Gleichzeitig plante er jedoch auch einen sehr monumentalen Baustil mit noch imposanterem Treppenhaus als das später realisierte. Insgesamt stießen seine Pläne teils auf großen Beifall, teils aber auch auf Kritik anderer Architekten, die ihrerseits Gegenentwürfe lieferten. Einige Zeit lang entspann sich ein echter Architektenstreit, im Zuge dessen Plečnik sich zeitweise sogar komplett aus dem Projekt zurückziehen wollte. Schlussendlich konnte er sich jedoch zu einigen Änderungen an seinen Plänen zugunsten der Praktikabilität durchringen. Eine zweite Hürde stellte wie so oft die Finanzierung des Baus dar; erst nach einer langen Kampagne von Universitätsangehörigen, Medien und Politiker:innen in Slowenien ließen sich die zuständigen Stellen in Belgrad von dem Projekt überzeugen. Nach fünf Jahren Bauzeit konnte das neue Gebäude Ende 1941 bezogen werden.

Arbeiter beim Umzug der Bestände in das neue Gebäude der NUK
Arbeiter beim Umzug der Bestände in das neue Gebäude der NUK

Das nächste Unglück ließ jedoch nicht lange auf sich warten: Im Januar 1944 wurde durch den Absturz eines Postflugzeugs aus Triest ein Teil des Gebäudes zerstört. Der Hauptlesesaal wurde stark in Mitleidenschaft gezogen, Teile des Katalogs und bis zu 60.000 Bücher verbrannten. Der Wiederaufbau und die nötigen Restaurationsarbeiten dauerte mehrere Jahre an.

Zerstörter Lesesaal nach Flugzeuabsturz

Wenn man die National- und Universitätsbibliothek heute besucht, zeigt sie sich von außen als monumentaler Bau, der nach Plečniks Intention an einen Renaissance-Palast erinnern sollte. Nur von oben gesehen sind vier Flügel zu erkennen.

Plečniks Ziel war es, an seinem Gebäude lokale Rohstoffe zu präsentieren. So verwendete er für die Bibliothek eine Ziegelfassade mit einer Art Webmuster, durch das er einzelne Steine des Auerspergpalais, zu dem der Bauplatz der NUK zuvor gehörte, integrieren konnte. Jeder Stein der Fassade ist individuell bearbeitet, wodurch sich ein interessanteres Bild ergibt als bei einer glatten Fassade.

Die Fenster im oberen Teil des Gebäudes erinnern mit ihrer spitzen Form an aufgeklappte Bücher und der obere Rand der Fassade wird von einem stilisierten Kranz gesäumt.

NUK Außenansicht
Detailansicht der Fassade
Ein Pegasus, Symbol der Dichtkunst, ziert den Griff der Eingangstür.
Ein Pegasus, Symbol der Dichtkunst, ziert den Griff der Eingangstür.

Auch im Treppenhaus verwendete Plečnik lokale Materialien, so zum Beispiel einen schwarzen Kalkstein aus Podpeč, einem Ort nahe Ljubljana. Der Gedanke hinter der Gestaltung des Aufgangs zum Lesesaal war, durch den Übergang vom dunklen Treppenhaus zum hellen Lesesaal einen Aufstieg aus dem Dunkel der Unwissenheit zur Erleuchtung durch Wissen darzustellen.

Aufstieg zum Lesesaal von unten gesehen
Treppe und Lesesaaleingang vom ersten Stock aus
Lampe und Säulen im Detail
Hauptlesesaal

Da Plečniks Gebäude für die NUK heute auch schon wieder zu klein geworden ist, ist seit langem ein Erweiterungsbau geplant. Teile der Bestände sind bereits ausgelagert, doch auch die Arbeitsmöglichkeiten vor Ort sollen erweitert und an die Bedürfnisse der heutigen Studierenden und Nutzenden der Bibliothek angepasst werden. Der Neubau NUK 2 ist mittlerweile seit Jahrzehnten geplant, verzögerte sich jedoch immer wieder – vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte von Plečniks Bau scheint sich hier die Geschichte zu wiederholen. Als bereits konkrete Pläne vorlagen und mit dem Bau begonnen werden sollte, wurden am Bauplatz, wie an vielen Stellen in der Stadt, römische Bauten ausgegraben, wodurch das NUK-Bauvorhaben wieder auf Eis gelegt wurde. Die Pläne, die online einsehbar sind, sehen Platz für 300.000 Bücher in Freihandaufstellung vor. Insgesamt sind über 13.000m2 auf sieben Etagen geplant. Für den Hauptlesesaal ist ein 24/7-Betrieb angedacht. Auf 1500 Lesesaalplätzen, in Kreativ- und Sozialräumen soll modernes, flexibles Arbeiten ermöglicht werden. Doch auch für Plečniks NUK-Bau endet die Geschichte nicht: Sobald das neue Gebäude bezogen werden kann, steht hier eine Renovierung an, damit das Gebäude weiterhin genutzt werden kann. Der Umzug ist übrigens bereits für 2024 geplant. Ob der Zeitplan eingehalten werden kann, wird sich zeigen, aber in Ljubljana (und im Bibliothekswesen generell) ist man ja geübt im Warten auf neue Gebäude.

lm

Blick auf die NUK von der Ljubljanica aus

Bildquellen:

Jože Plečnik (1943) in der digitalen Bibliothek der NUK: http://www.dlib.si/?URN=URN:NBN:SI:IMG-PKW4LSKL (Public Domain)

Umzug in das neue Gebäude über NUK bei Google Arts & Culture: https://g.co/arts/sDrCUjwYjyZgA6Fm6 (Public Domain)

Zerstörter Lesesaal nach Flugzeuabsturz über NUK bei Google Arts & Culture: https://artsandculture.google.com/asset/reading-room-after-the-crash/GwH43LBL2UG_9A (Public Domain)

Alle weiteren Bilder wurden von der Verfasserin selbst aufgenommen.

 

Sonstige Quellen:

"The works of Jože Plečnik in Ljubljana – Human Centred Urban Design" auf der Seite der UNESCO World Heritage Convention: https://whc.unesco.org/en/list/1643, zuletzt abgerufen am 07.01.2023

Geschichte der NUK auf der Homepage der NUK: https://www.nuk.uni-lj.si/eng/nuk/history, zuletzt abgerufen am 07.01.2023

NUK 2 Projekt auf der Homepage der NUK: https://www.nuk.uni-lj.si/eng/node/573, zuletzt abgerufen am 15.01.2023

Kapitel "Narodna in univerzitetna knjiznica - National- und Universitätsbibliothek" in Fabian, Bernhard (Hrsg.): Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland, Österreich und Europa. Hildesheim, Olms Neue Medien, 2003. Online verfügbar unter https://fabian.sub.uni-goettingen.de/fabian?National-_U._Universitaetsbibliothek(Ljubjana), zuletzt abgerufen am 05.01.2023

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1 Kommentar(e)

Anonüm |

04. Februar 2023

Ein sehr informativer Artikel =)