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Hier berichten wir von den großen und kleinen Erlebnissen unserer Ausbildungsreise – von Exkursionen in alte und neue Bibliotheken, von Studienfahrten und Praktika in fernen und nicht ganz so fernen Städten, von Vorträgen, Konferenzen und natürlich dem Studienleben in München.

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Bibliotheken und Archäologie - Teil 6: Die Bibliothek des Assurbanipal in Ninive

Avatar of Student/in Student/in | 18. Januar 2022 | Bibliotheken | International, Bibliotheken und Archäologie



Eine in den historischen Wissenschaften sehr gebräuchliche Frage ist „Was war davor?“ oder „Gab es ein Vorbild?“. Es geht natürlich um Abstammungslinien, Nachahmung oder schlicht Tradierung von Konzepten. Auf den Punkt gebracht – was war der/die/das erste? Für uns heißt das natürlich: Was war die erste Bibliothek?

Wie immer ist die Antwort schwierig – auch wegen der Frage, wann man überhaupt von einer Bibliothek im heutigen Sinne sprechen kann, einer Einrichtung, die konzeptionell auch in die Richtung geht, wie wir sie heute definieren. Und natürlich wie die Überlieferungslage aussieht.

Ein guter Kandidat, der in diesem Zusammenhang oft genannt wird, ist die Bibliothek des assyrischen Königs Aššur-bāni-apli (Assurbanipal, 669-631 v. Chr.). In der Hauptstadt seines Reiches, Ninive, entstand unter seiner Federführung eine immense Sammlung an Tontafeln. Der König selbst rühmte sich damit, im Gegensatz zu seinen Vorgängern, Lesen und Schreiben zu können – und er hatte den Wert von schriftlicher Überlieferung erkannt.

Die Bibliothek speiste sich aus Kopien der Tafeln anderer Sammlungen, von Städten, Tempeln oder privaten Sammlern, aber auch aus Kriegsbeute, wie die 3500 Tafeln, die aus Babylon hierher geschafft wurden. Heute sind uns etwa 32.000 Tafeln erhalten, wobei individuelle Werke oft aus mehreren Tafeln bestanden und diese auch oft mehrfach vorhanden waren. Thematische Schwerpunkte machen religiöse Texte aus, Omendeutung, aber auch Hymnen und Kommentare, Heilkunde und Mathematik. Dazu kommen eine kleine Zahl literarischer Texte, wie das berühmte Gilgamesch-Epos. Der Bestand wurde gezielt erweitert und ging weit über frühere Sammlungen hinaus, die mehr archivalischen Zwecken dienten.

Was die Benutzung angeht, so vermutet man, dass die Bibliothek vor allem dem König und seinem Hof diente. Dennoch waren auch schon am Anfang unserer Zunft Fragen an der Tagesordnung, die einem selbst mehr als bekannt vorkommen: Die Angst vor Diebstahl und Beschädigung.

Als „Kolophon“ – gemeint sind hier Kommentare am Ende des inhaltlichen Textes oder auf der Rückseite – wurden deswegen auf vielen Tafeln Benutzungshinweise vermerkt, etwa: „Wer auch immer diese Tafel wegträgt […] dem mögen Assur und Mullissus wütend und zornig stürzen und seinen Namen, seinen Samen im Lande vernichten!“ oder „he who carries off this tablet […] may Shamash carry off his eyes“ oder „may they put his flesh in a dog’s mouth!“. Dies betrifft auch Nutzer, die die Tafeln zerbrechen, unlesbar machen oder durch Wasser zerstören, denn „he who fears Anu and Antu will take care of it and respect it“. Auch Ausleihe war hier (und in anderen Sammlungen) teilweise möglich – tageweise: „He who fears Anu, Enlil, and Ea will return it to the owner’s house the same day“.

Ein weiterer Grundpfeiler der bibliothekarischen Arbeit war schon lange gebräuchlich. So wurden Bestandslisten für eine Sammlung in Nippur gefunden (ca. 2000 v. Chr.). Ein echter Katalog ist uns aus Hattusa (13. Jh. v. Chr.) überliefert. Dieser lieferte Umfang der Werke, eine Art von Inhaltszusammenfassung und weitere Hinweise dazu: „Three tablets on the spring festival of Hurma. How the presiding official celebrates the festival. First and second tablets missing“ oder „One tablet. Words of Annana, the old woman. When one suppliates the Storm-God. Not the end“ oder „Two tablets. When the king, queen, and princes give substitute-figures to the Sun-Goddess of the Earth. The end. However we have not found the first tablet belonging to it“. Als Kolophon wurden bibliografische Angaben dieser Art auch oft auf den Tafeln selbst vermerkt.

Das Ende der Bibliothek kam bereits kurz nach Assurbanipals Tod. Im Jahr 612 v. Chr. wurde Ninive von einer Allianz niedergebrannt, zu der auch Babylon gehörte, deren Tontafeln Assurbanipal einst hierher bringen ließ. Unter dem Schutt des niedergebrannten Palastes wurde so eine der ersten Bibliotheken für die Nachwelt konserviert.

 

(mb)

mb möchte sich (als „Klarcho“) bei allen mitlesenden vorderasiatisch Forschenden für diese Wilderei entschuldigen

 

Literatur und Websites (18.01.2022)

Lionel Casson: Libraries in the Ancient World, New Haven und London 2001.

Stefan M. Maul: Die „Tontafelbibliothek“ einer assyrischen Gelehrtenfamilie des 7. Jahrhunderts v. Chr., in: Elke Blumenthal und Wolfgang Schmitz (Hrsg.): Bibliotheken im Altertum, Wiesbaden 2011, S. 9-50.

Eleanor Robson: Reading the libraries of Assyria and Babylonia, in: Jason König, Katerina Oikonomopoulou und Greg Woolf (Hrsg.): Ancient Libraries, Cambridge (u.a.) 2013, S. 38-56.

https://www.britannica.com/story/a-brief-history-of-libraries

https://www.historyofinformation.com/detail.php?id=8

http://oracc.museum.upenn.edu/asbp/index.html

 

Weitere Websites (18.01.2022)

https://de.wikipedia.org/wiki/A%C5%A1%C5%A1ur-b%C4%81ni-apli

https://en.wikipedia.org/wiki/Library_of_Ashurbanipal

https://de.wikipedia.org/wiki/Ninive#Neuassyrische_Zeit

 

Bildnachweise (18.01.2022)

The Trustees of the British Museum: K.162 https://www.britishmuseum.org/collection/image/339112001 CC BY-NC-SA 4.0

Fæ: Library of Ashurbanipal / The Flood Tablet / The Gilgamesh Tablet (K.3375)

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Library_of_Ashurbanipal_The_Flood_Tablet.jpg CC BY-SA 3.0

 

Inspiration zu diesem Blog-Beitrag u.a. auch durch dieses Video:

Fall of Civilizations: 13. The Assyrians – Empire of Iron https://youtu.be/jpAphcaVJIs

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2 Kommentar(e)

LM |

18. Januar 2022

Gutes Timing vor der Bibliotheksgeschichte-Klausur für uns Erstsemester, vielen Dank :D


bibeule |

18. Januar 2022

wow, sehr spannend