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Hier berichten wir von den großen und kleinen Erlebnissen unserer Ausbildungsreise – von Exkursionen in alte und neue Bibliotheken, von Studienfahrten und Praktika in fernen und nicht ganz so fernen Städten, von Vorträgen, Konferenzen und natürlich dem Studienleben in München.

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Fake News – Teil 3: wie man sie erkennt

Avatar of Student/in Student/in | 02. März 2021 | Gedankensprünge, Fachliches



Fake News – Teil 3: wie man sie erkennt

In unserer Blogserie über Fake News müssen wir uns abschließend natürlich auch mal fragen, was wir gegen Fake News tun können bzw. wie wir sie als solche erkennen. Mit der Frage sind wir nicht allein im Bibliothekskosmos: Die IFLA hat hierzu nämlich schon mal ein schönes Poster erarbeitet (hier in vielen verschiedenen Sprachen zum Download).

Alternativ präsentieren wir auf aubib die ZAKKA-Methode. Noch nie gehört? Aber vielleicht habt ihr schon was vom CRAAP-Test gehört? Das ist eine Art Checklist, die an amerikanischen Unibibliotheken seit mehreren Jahrzehnten zum Standard gehört, um Erstsemestern wissenschaftliches Arbeiten beizubringen. Entwickelt wurde er an der California State University in Chico.

Da er aber ein paar Schwächen hat, z.B. das Hinausgehen über die Quelle nicht richtig berücksichtigt, haben wir ihn hier mittels einer anderen Methode names SIFT von Mike Caulfield etwas angepasst, und daraus auf Deutsch ZAKKA gemacht. So ein Akronym hat ja den Vorteil, dass man sich an den Buchstaben entlang hangeln kann, um keinen Punkt auf der Checkliste zu vergessen. Nicht zuletzt werdet ihr etwas über Elfenfotos, Erdnussbutter als Einstiegsdroge und eine falsche Königin erfahren. Los geht‘s!

 

Z für Zweck:

Was ist das Ziel des Autors? Will er informieren oder etwa unterhalten, jemanden zu Handlungen auffordern, etwas verkaufen? Drückt die Information vor allem persönliche Meinung aus oder ist der eingenommene Standpunkt neutral und möglichst objektiv? Kann man z.B. ideologische, politische, kulturelle oder persönliche Voreingenommenheit/Vorurteile erkennen?

Hier ein Beispiel des Blogs Archivalia:

Der Beitrag vom August 2015 trägt die Überschrift „Unfähiges LG Hamburg rechtfertigt Beuthelschneiderei“. Das geübte Auge erkennt hier schon einen wertenden Begriff. Der Beitrag will also vor allem Meinung ausdrücken. Besonders pikant an dem Beitrag: er enthält ein Zitat der Originalquelle, das gezielt verändert wurde. Im Originaltext heißt es:

„Dieser Einschätzung schließt sich die Kammer an“.

Daraus wird auf Archivalia der Satz:

„Dieser unglaublich dummen und obsoleten Einschätzung schließt sich die Kammer an.“

Der Satz wurde bei Archivalia als Ganzes kursiv gesetzt, um ihn als Zitat zu kennzeichnen, die Veränderung des Zitats hingegen ist nicht kenntlich gemacht.

Nur damit wir uns nicht falsch verstehen: Meinung hat ihre Legitimation, und meinungsfördernde Beiträge haben ihren Platz in der bunten Medienwelt, sie erfordern vom Leser aber auch als solche erkannt und eingestuft zu werden. Die bewusste Veränderung des Zitats, ohne dies kenntlich zu machen, erschwert eine sachgerechte Einstufung.

Ein anderes Beispiel sind satirische Informationen. Hier ist der Zweck die Unterhaltung. Interessant wird es dann, wenn die Satire nur schwer erkennbar ist: Der britische TV-Sender Channel 4 sendete am 1. Weihnachtsfeiertag eine satirische Weihnachtsansprache der „Queen“, die mittels Deepfake-Technologie und Stimmenimitatorin täuschende Ähnlichkeit zur Original-Weihnachtsansprache der echten Queen aufwies, die am gleichen Tag ausgestrahlt wurde. In diesem Fall war der Zweck der Satire klar zu erkennen, da die „gefälschte Queen“ im Video Witze reißt und auf dem Tisch tanzt. Was aber, wenn sich jemand Deepfake-Technologien bedient, um Fälschungen herzustellen, die auch von Spezialisten nicht mehr als solche erkannt werden?

 

A für Aktualität:

Hier hilft die einfache Frage: Ist die Information aktuell? Wann wurde sie erstellt?

Informationen können nicht mehr auf dem neuesten Stand sein, was auch bewusst eingesetzt werden kann. Beispiel gefällig?

Wie der BR berichtete, wurde im Dezember 2020 in Bayern per Post ein coronakritischer Flyer verteilt. Darin das Zitat eines Chefarztes mit der Aussage, dass Corona nicht gefährlicher als eine Grippe sei. Das Zitat stimmte, doch das Problem daran: die Aussage stammt vom Februar 2020, als die Datenlage noch eine andere war: es waren nur wenig Infektionsfälle bekannt und aus China gab es nur dürftige Informationen. Wenig später setzt sich die Erkenntnis durch, dass Corona eben doch gefährlicher als eine Grippe ist. Statt der relevanten, genaueren und aktuelleren Information wurde hier also bewusst eine veraltete Information verbreitet, die nicht mehr den Erkenntnissen entspricht.

 

K für Korrektheit:

Damit ist das eigentliche Fact-checking gemeint: Stimmt die Information, sprich: werden Quellen und Nachweise für die Information genannt? Wenn ja, stimmen die Angaben in der Quelle mit der Behauptung überein? Kann man die Information mittels einer anderen Quelle verifizieren? Nicht zuletzt kann man Hinweise auf Falschinformationen auch darin finden, wenn man sich fragt: ist die Argumentation logisch? ist die Information sorgfältig geschrieben oder strotzt sie nur so vor Rechtschreib- und Grammatikfehlern?

Unser Beispiel kommt wieder mal aus England:

Im Dezember 1920 (also vor etwas mehr als genau 100 Jahren) erschien in der Zeitschrift The Strand Magazine ein Artikel von Arthur Conan Doyle, dem weltberühmten Autor der Sherlock-Holmes-Geschichten. Darin publizierte er Fotos zweier Mädchen, wie sie in der Natur von tanzenden, kleinen Elfen umgeben sind, die scheinbar in der Luft schweben. Doyle kam begeistert zum Schluss, dass damit die Existenz dieser übernatürlichen Wesen tatsächlich bewiesen war. Die Fotos hatte Doyle über Umwege von den beiden Mädchen, Elsie Wright (19) und Frances Griffiths (13) bekommen, die auf den Fotos zu sehen sind. Die beiden Kusinen hatten die Fotos selber angefertigt und behaupteten, ihnen würden regelmäßig Elfen erscheinen.

Doyle wollte sich absichern und fragte beim Filmhersteller Kodak an, der ihnen nach Prüfung versicherte, es gäbe keinen Hinweis darauf, dass die Fotos gefälscht seien. Die öffentliche Reaktion darauf war teils skeptisch, teils anerkennend. Die Fotos sahen echt aus, aber niemand hatte eine gute Erklärung, wie das möglich war. Die Legende der sogenannten Cottingley Fairies war geboren!

Doyle hätte allerdings hellhörig werden müssen, denn eigentlich wurde nicht nur Kodak um eine Expertenmeinung gebeten, sondern auch der Filmhersteller Ilford, der sich klar darauf festlegte, die Fotos enthielten „Hinweise auf Fälschung“. Doch erst in den 70ern führte man eine computergestützte Analyse der Bilder durch, die Fäden im Bild zeigte, an denen die „Elfen“ aufgehängt worden waren, um im Bild zu „schweben“. 1983 gaben die Kusinen schließlich zu, dass die „Elfen“ nur Kopien von Zeichnungen aus einem Kinderbuch waren, die sie selbst abgezeichnet hatten und an Fäden ins Bild gehängt hatten. Ein Vergleich mit den Zeichnungen und das Nachgehen von Indizien hätte die Fälschung schon früher offenbart.

 

K für Kontext:

Beantwortet die Information die gestellte Frage? Bezieht sie sich auf das Thema? Und vor allem: Ist der genannte Kontext wirklich der Originalkontext?

Gerade Klatschzeitschriften und Boulevardpresse entreißen oft Informationen ihrem Originalkontext, um verkaufsfördernde Schlagzeilen zu generieren.

Am 10. Februar etwa hatte die Illustrierte „Das neue Blatt“ folgende Schlagzeile auf ihrem Cover:

„Meghan & Harry: Bitteres Ehe-Aus: Er geht zurück nach England – allein!“

Erst bei Einsicht in den Artikel im Inneren des Hefts wird klar, worauf die Schlagzeile basiert: Einerseits wird einfach seitens der Redaktion darüber spekuliert, wie lange die Ehe noch hält – von einer tatsächlichen Trennung bzw. Scheidung kein Wort und keine Belege. Hier wird also einmal eine vage eigene Spekulation kurzerhand zum Fakt gemacht.

Zum zweiten erfährt man, dass Harry in Kürze eine kurze Reise nach England zum Geburtstag der Queen machen soll, während Meghan in Kalifornien bleiben soll. Es handelt sich also um eine kurze Reise, die Schlagzeile „Er geht zurück nach England – allein“ suggeriert aber einen dauerhaften Wegzug. Hier wurde also der Kontext bewusst verändert, um eine Falschinformation zu erzeugen.

Ein weiteres, schönes Beispiel, dieses Mal aus den USA:

Dort berichteten zahlreiche Medien im Herbst 1969 über einen neuen nationalen Trend unter Jugendlichen: Sie würden sich eine Mischung aus Erdnussbutter und Mayonnaise als Droge spritzen. Drogenexperten hatten sich darüber zuvor geäußert, nachdem sie von Jugendlichen gefragt worden waren, ob man von Erdnussbutter und Mayonnaise „high“ werden kann. Sogar in Regierungsdokumenten wurde darüber gesprochen. Allerdings gab es diesen Trend nie. Was war also passiert?

Mit genauer Sicherheit lässt es sich nicht rekonstruieren, eine glaubwürdige Erklärung ist aber folgende: „peanut butter“ und „mayonnaise“ galten damals als Slangwörter für härtere Drogen (Metamphetamine und Heroin oder Kokain), die aber natürlich illegal waren und nicht einfach zu bekommen. In diesem Kontext ist es hilfreich zu wissen, dass damals alles mögliche ausprobiert wurde, um sich legal mit einfachen Mitteln zu berauschen: man rauchte Blätter aller möglichen Pflanzen und inhalierte Öle und Substanzen auf der Suche nach einem „Kick“.

Der Ablauf lässt sich dann folgendermaßen skizzieren:

1. Jugendliche High-School-Schüler hören von „peanut butter“ und „mayonnaise“ als Drogen in ihrem Slangkontext, sind neugierig, misinterpretieren die Wörter aber.

2. Drogenexperten werden von Jugendlichen gefragt, ob man von Erdnussbutter und Mayo high wird. Diese fragen sich (skeptisch), ob das tatsächlich ein Trend ist bei einzelnen Jugendlichen, und berichten davon auf Tagungen.

3. Medien greifen das auf, lassen skeptischen Verdacht zu Fakt werden, verallgemeinern den Kontext pauschal und machen daraus einen „nationalen Trend“: Unsere Jugend spritzt sich Mayo und Erdnussbutter intravenös!

Das Beispiel zeigt sehr gut, wie eine verunfallte Fehlinformation mit Übertreibung und Kontextentstellung zu einer krassen Falschnachricht werden kann. Ach ja, falls jemand fragt, ob man jetzt eigentlich wirklich davon high werden kann: nein! ;-)

 

A für Autorität:

Was qualifiziert den Autor der Information? Ist sein Name und sein Hintergrund angegeben? Gibt es z.B. ein Impressum, eine Kontaktmöglichkeit? Steckt hinter dem Namen ein anderer Akteur (etwa eine Firma)? Wenn in einer Information „Experten“ zitiert werden, wer sind sie und was qualifiziert sie?

Relativ „einfach“ ist der Fall dann, wenn man ermitteln kann, dass hinter einem Account nicht die Person steckt, als die sich der Account ausgibt. So fiel im November 2020 Donald Trump auf ein gefälschtes Twitterprofil rein, der sich als Trumps Schwester Elizabeth Trump ausgab, und einen Unterstützungstweet absetzte.

Trump kam es nicht in den Sinn, sich zu fragen, warum das Twitterprofil nur einen Tag alt war und warum die Bilder von Elizabeth in den Tweets nicht von ihr selbst gemacht worden waren, sondern von der Bildagentur Getty Images gekauft waren. Am einfachsten hätte er es natürlich gehabt, wenn er seine Schwester einfach angerufen hätte.

Komplexer werden die Fälle, wenn der Autor einer Information schon ein gewisses Ansehen besitzt. Dann werden Falschinformationen möglicherweise gar nicht erst angezweifelt, Indizien nicht nachgegangen. Das zeigt eindrucksvoll die Affäre um den Journalist Claas Relotius 2018.

Mindestens 14 seiner Artikel und Reportagen für den Spiegel enthielten Fälschungen, also etwa frei erfundene Personen, Details, Interviewaussagen etc. Teile ganzer Reportagen waren erdichtet. Da Relotius aber zahlreiche Journalistenpreise gewonnen hatte, genoss er hohes Ansehen in der Community. Erste Hinweise auf Falschinformationen wurden daher lange ignoriert. Erst konsequentes Fact-checking des Kollegen Juan Moreno führten zur Aufklärung. Auch Autoritäten sollten also hinterfragt werden.

 

Zum Schluss: Was hat das Ganze eigentlich mit uns Bibliotheken zu tun?

Die Antwort erscheint relativ einfach: wir als Informationsdienstleister müssen nicht nur Information zur Verfügung stellen, nicht nur darauf hinweisen, wo man sie finden kann, sondern unseren Nutzern auch das Werkzeug an die Hand geben, damit umzugehen. Wir haben schlichtweg ein Interesse daran, dass unsere Nutzer falsche von echten Informationen trennen können, dass sie Informationen richtig einschätzen können, sie in ihrem Kontext sehen und bewerten, und nicht zuletzt sollen sie Informationen ethisch und wissenschaftlich richtig weiterverwenden.

Kurzum: Wir haben ein Interesse an informationskompetenten Nutzern: wer Fake News erkennt, kann im Prinzip auch wissenschaftlich oder journalistisch tätig sein und umgekehrt: wer wissenschaftliche Techniken zur Überprüfung von Informationen beherrscht, kann auch Fake News erkennen. Werden diese Kompetenzen von vielen Menschen beherrscht und angewandt, trägt dies insgesamt zu einer aufgeklärten, mündigen Gesellschaft bei.

 

(Bildnachweis: Gerd Altmann, via Pixabay)

(ag)

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