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Hier berichten wir von den großen und kleinen Erlebnissen unserer Ausbildungsreise – von Exkursionen in alte und neue Bibliotheken, von Studienfahrten und Praktika in fernen und nicht ganz so fernen Städten, von Vorträgen, Konferenzen und natürlich dem Studienleben in München.

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Die Edelsteine (11) - Josef

Avatar of Student/in Student/in | 15. Dezember 2020 | Adventskalender, Lesestoff



Kapitel 11: Josef

Kies wusste nicht, was sie tun sollte. Eigentlich mochte sie Josef. Er war nur manchmal etwas… unbeholfen. Zumindest hätte sie ihn nicht als schlechten Menschen eingeschätzt. Hatte sie sich wirklich getäuscht in ihm?

Als sie aus dem Aufzug kam, ging sie langsam mit den drei Foliobänden in ihr Büro. Sie traf auf ihre Kollegin Brecht, die sofort ihre unruhige Art und ihr Händezittern bemerkte.

„Margit, kann ich dir was anvertrauen?“

„Julia. Wir arbeiten jeden Tag zusammen. Sprich bitte ganz offen.“

„Ich denke, das mit Couleuvre…. Josef… ich glaube, Josef hat etwas damit zu tun.“

Margit blinzelte.

„Wenn man ihn zu Zusammenhängen zum Verschwinden Couleuvres fragt, gerät er in Schweißausbrüche. Im Magazin lag ein Schlüsselbund, den Josef dort liegen gelassen hat – es ist der von Couleuvre. Ich kann nicht länger die Augen davor verschließen, aber…“

Margit lehnte sich zurück, lächelte schelmisch. „Das war doch von Anfang an klar. Julia, hat man dir nie DIE Geschichte erzählt?“

„Welche Geschichte?“

„Ich bin hier seit zwanzig Jahren im Dienst. Als Josef Ehrlich vor etwa fünfzehn Jahren bei uns angefangen hat im Magazin, gab es noch den alten Magazinleiter, den Schwarz. Ich weiß den Vornamen nicht mehr. Jedenfalls bemühte sich Schwarz intensiv um seine Einarbeitung. Um diese Zeit verschwanden plötzlich Bücher aus dem Magazin. Vor allem älterer Bestand war betroffen. Jetzt nichts besonders wertvolles, aber so Werke aus dem Zeitraum von 1800 bis 1870 etwa, immer mal wieder, und quer durch viele Sachgebiete. Es schien keinen Zusammenhang oder roten Faden zu geben, außer dass sie in dieser Zeit verschwanden. Josef wurde stark verdächtigt, man konnte ihm aber nie etwas nachweisen. Es gab damals und gibt es ja bis heute kein wirkliches Sicherheitssystem, keine Sicherheitskameras, nichts. Niemand hat jemanden gesehen, der wirklich Bücher rausgetragen hätte. Aber die Zeitpunkte waren so verdächtig.

Kurze Zeit später ging der alte Herr Schwarz in Rente. Vermutlich hat er ihm ordentlich ins Gewissen geredet. Jedenfalls kamen danach keine Werke mehr weg, also zumindest wurden keine Auffälligkeiten mehr entdeckt. ‚Wegkommen‘ tut in so ner großen Bibliothek ja immer was. Aber zumindest nicht mehr in dem Stil, wie damals, als gleich Dutzende Bände fehlten.“

Margit pausierte ein paar Sekunden.

„Was ich damit sagen will, Julia, ist…“

„Ich weiß, Margit, was du sagen willst. Josef hat nicht nur formal etwas zu tun mit dem Fall Couleuvre, er hat auch ein Motiv. Es scheint so, als sei er kriminell geworden.“

„Es scheint? Es scheint? Die Ratte gehört sofort raus aus diesem Laden!“

Kies wurde es langsam heiß auf dem Stuhl.

„Seien wir besonnen, Margit. Ich werde mit Feichtenbeiner in Ruhe reden und besprechen, was wir tun können. Wir müssen, egal was wir tun, immer gut überlegt handeln.“

Als sie am nächsten Morgen zur Arbeit kam, stand Feichtenbeiners Wagen schon auf dem Parkplatz. Sie holte tief Luft, überlegte sich, wie sie ruhig und sachlich mit ihm über den Vorfall bzw. die Indizien reden könnte, und welche Möglichkeiten man hätte, vorzugehen.

Als sie sich Richtung Direktorzimmer begab, eilte just in dem Moment auch Feichtenbeiner selbst auf dieses zu.

„Ah, gut dass ich Sie sehe, Kollegin Kies. Ich muss mich aufrichtig bei Ihnen entschuldigen. Sie waren eine große Hilfe bei der Aufklärung. Dank Ihnen wird Herr Ehrlich bald Geschichte sein. Ich war schon seit Jahren misstrauisch gegen ihn, mein Instinkt hat mich nicht getrügt! Ich, der Polizist Schweinsdorfer und Kommissar Feist verhören ihn jetzt schon seit zwei Stunden bei mir drin. Er will natürlich nichts gestehen, streitet alles ab, der Lump! Er glaubt wohl, wir seien alle naiv. Aber den kaufen wir uns! Halten Sie sich in Ihrem Büro bereit. Sobald er mir verraten hat, wo er Couleuvre gefangen hält, wird ihn die Polizei mitnehmen und wir befreien unseren armen entführten Kollegen.“ Kies war sprachlos. Und Feichtenbeiner, als er die Tür hinter sich schloss: „Danke nochmal, Frau Kollegin.“

Fortsetzung folgt

(ag)

(Bildnachweis: Michal Jarmoluk, via Pixabay)

 

 

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