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Weltkarte




Kuriositäten im Berufsalltag (1) - Katalogisierung

Avatar of Student/in Student/in | 11. Februar 2020 | Fachliches



Kartenkatalog

Was haben Hamlets Vater, Star Trek, die ISS und J. R. R. Tolkien gemeinsam? Hört sich wie ein schlechter Witz an, nicht?

Wir waren auch erst mal baff, als uns tatsächlich eine Gemeinsamkeit aufgefallen war:
Diese vier Dinge können einem bei der Katalogisierung von Medien unterkommen und deren Behandlung zunächst sehr kurios wirken.

Aber, von vorne:
Für die Besucher*Innen unseres Blogs, die nicht vom Fach sind zunächst einmal kurz, was hinter dem Begriff Katalogisierung eigentlich steckt:
Katalogisierung oder auch Formalerschließung bezeichnet den Vorgang des Nachweises eines Mediums in einem Bibliothekskatalog - man nimmt also Dinge wie Autor*In, Haupttitel und Titelzusatz, Verlagsname, Erscheinungsdatum und noch etliche Dinge mehr auf, um so dem Katalogbenutzer/Bibliotheksbenutzer zu zeigen:
Diese Bibliothek hat folgendes Medium von diesem Urheber in jener Auflage. Klingt simpel und einleuchtend - zunächst.
Doch dahinter steckt ein Regelwerk, nach dem man sich bei der Katalogisierung zu richten hat, damit die Aufnahmen einheitlich sind und so ein Nutzer aus der Bibliothek A auch ein Medium in Bibliothek B findet, da diese nach den gleichen Regeln verzeichnet wurden. Das derzeitig gültige Regelwerk ist RDA (Ressource Deskription and Access), welches internationale Gültigkeit hat (mit ein paar länderspezifischen Eigenheiten).

Und was haben nun Hamlets Vater, Star Trek, die ISS und J. R. R. Tolkien mit diesem ominösen bibliothekarischen Regelwerk zu tun?

Beginnen wir einmal mit Hamlets Vater. Wer kenn ihn nicht - nein, nicht Hamlets Vater...sollte man aber auch kennen... - William Shakespeare! Für die anglophone Welt der größte Schriftsteller aller Zeiten - falls er denn je existiert hat...man hört da so ein paar Gerüchte...;-)
Aber, Spaß bei Seite. Natürlich ist dieses Werk Shakespeares - Hamlet der Prinz von Dänemark - ein Medium, welches einem beim Katalogisieren begegnen kann - nichts Spannendes, eher alltäglich. Doch wie wäre es mit einem Werk von Hamlets Vater, oder über ihn? Nunja, zugegeben, der erste Fall ist schon sehr unwahrscheinlich. Vielleicht, dass sich ein Autor nach ihm benennt und als Pseudonym auftritt. Wahrscheinlicher schon der zweite Fall.
Nichtsdestotrotz erhält dieser Geist eine Eintragung in die GND (Gemeinsame Normdatei) und muss natürlich erfasst werden.
Gut, dass RDA da vorgesorgt hat und eine Regel für die Aufnahme von Geistern parat hält:
RDA 9.2.2: Nachname, Vorname (Geist) ; wahlweise auch mit königlichem Titel, religiösem Titel oder anderen Kennzeichnungen (RDA 9.19.1.2)

Star Trek und J. R. R. Tolkien kann man hier sogar in einen Topf schmeißen, denn bei beiden kann es passieren, dass man ein Medium vorliegen hat, welches in einer Sprache geschrieben ist, welche in den Weken Tolkiens oder in Star Trek gesprochen wird.
Wer kennt denn nicht die berühmten Worte Hamlest (oh, schonwieder der...): "taH pagh taHbe" - "To be, or not to be", hier mal auf klingonisch. Und tatsächlich, wer in einer Suchmaschine seiner Wahl danach sucht, findet kaufbare Exemplare dieses Meisterwerks der Weltliteratur auf klingonisch. Und was kaufbar ist, muss auch in einer Bibliothek vorhanden sein - schon allein wegen dem Pflichtexemplar. Und was in einer Bibliothek vorhanden ist, muss auch katalogisiert werden. Wo ist aber nun dieser Text einzuordnen, gleicht er doch keiner natürlichen Sprache, ist also weder englisch, noch deutsch, sonst etwas Ähnliches.
Gottseidank gibt es aber die ISO-Norm ISO 639 für Sprachencodes. Hier findet sich unter tlh die Abkürzung für tlhlngang-Hol - klingonisch.
Und Tolkien? Nun, der große Meister hat eine ganze Welt erschaffen, mit den unterschiedlichsten Sprachen. Sindarin und Quenya (beides Sprachen der Elben) sind ebenso im ISO-Code verzeichnet: qya und sjn.

Bleibt nur noch die ISS.
Hier handelt es sich um eine Kuriosität, die jedoch schnell einleuchtet. Es gibt in der Katalogisierung nicht nur Personen (tote oder lebendige), die ein Werk veröffentlichen können, sondern auch Institutionen – und nein, wir sprechen hier nicht von den Verlagen.
Es geht um Körperschaften. Körperschaften sind Institutionen, die für ein Werk verantwortlich sind.
Man nehme z.B. die Gesetze eines Staates - nicht der einzelne Politiker oder der "Schreiberling" ist dann der Verfasser dieses Gesetzes, sondern der Staat. Oder man nehme das Jahrbuch einer Hochschule - nicht der Kanzler oder der Präsident oder ein/e Sekretär*In oder anderer Mitarbeiter ist Verfasser des Jahrbuchs, sondern die Hochschule.
So, bestimmt kommt ihr jetzt selbst darauf:
Wenn das Jahrbuch der ISS herausgegeben wird, ist nicht ein Astronaut oder die ESA oder die NASA oder eine andere Weltraumbehörde dafür zuständig, denn schließlich handelt es sich um ein internationales Raumschiff, eine "international space station", weshalb die ISS selbst als Körperschaft Urheber dieses Jahrbuches ist. Deshalb fällt nach RDA Kapitel 11.0 (über die Identifizierung von Körperschaften) auch eine Raumstation oder ein Raumschiff (übrigens auch ein Wasserfahrzeug) unter die Definition von Körperschaft.

Da wir oben über Sprachen redeten, hier zum Abschluss noch eine kleine Anekdote aus der Praxis:
Während meiner Ausbildung hatte ich mal ein Buch aus Stockholm zu katalogisieren. Nach dem ich fertig war, überprüfte mein Vorgesetzter die Aufnahme. Bei der Betrachtung des Titels kam ihm ein Wort „spanisch“ vor (er hatte schon genug nordeuropäische Bücher bearbeitet, um diese Sprachen ansatzweise zu kennen). Als wir dann ein Wörterbuch bemühten, stellten wir fest, dass dieses Wort nicht im Schwedischen existierte...dafür fanden wir es im Norwegischen.

Nun, dies war ein kleiner Einblick in Kuriositäten der bibliothekarischen Arbeit.
Zunächst mag es seltsam anmuten, dass dies so gemacht, vorgeschrieben oder festgelegt wird, aber es kann durchaus Sinn machen und zeigt doch, wie spannend diese Arbeit ist.
Sollte übrigens jemand noch weitere Kuriositäten aus der Katalogisierungspraxis kennen, nur her damit und ab in die Kommentare.
Und sollte jemand einen anderen Bereich ansprechen wollen: Immer nur her mit einem Gastbeitrag! Wir würden uns sehr freuen!

(ab)

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